Stellungnahme des Interkulturellen Dialogzentrums e.V. IDIZEM zu aktuellen Geschehnissen in der Türkei und Entwicklungen in Deutschland

Stellungnahme des Interkulturellen Dialogzentrums e.V. IDIZEM 
zu aktuellen Geschehnissen in der Türkei und Entwicklungen in Deutschland

Versuch einer Beschreibung der Hizmet-Bewegung in Deutschland 

Vor den Sommerferien haben wir uns mit unserem Beirat und Freunden zu einer Krisensitzung getroffen; Thema waren die Vorfälle in der Türkei, das Üidizemberschwappen der Hetze gegenüber Hizmet nach Deutschland und die von IDIZEM zu ergreifenden Maßnahmen in einer Zeit der Polarisierung. Dabei war es vielen IDIZEM-Mitgliedern sehr wichtig, sich einmal gegenüber Freunden auszusprechen und Gehör zu finden. Die breite Unterstützung hat uns sehr motiviert und Mut gemacht: „andersgläubige“ Freunde haben mit aller Macht nach einer Lösung für unsere Probleme gesucht, auf eigene Initiative viele Gespräche mit MultiplikatorInnen geführt und in unserem Namen geredet. Nicht zuletzt haben sie uns ihre Kirchen für den Fall, dass hiesige Moscheen Engagierten der Hizmet-Bewegung verschlossen werden, zum Gebet angeboten. Mewlanas Worte beschreiben hierzu unsere momentane Gefühlslage sehr treffend: Herzensmenschen, deren Wunden noch frisch sind, kann das bloße Angesicht wahrer Freunde ein Segen sein.

Neben dem emotionalen Austausch, den sie in dem SZ-Artikel von Deniz Aykanat und Bernd Kastner ein Stückweit nachempfinden können [1], haben wir auch versucht, die aktuelle Lage sachlich zu bewerten und Lösungsansätze zu finden. Uns wurde insbesondere empfohlen, zu erklären, wer wir Hizmet-Engagierte denn seien und welche Arbeit wir leisten. Das Resultat unserer Bestrebungen möchten wir mit Ihnen teilen:

I. IDIZEMs Positionierung gegenüber dem versuchten Putsch vom 15. Juli 2016

Bereits sehr früh in der Nacht des Putsches haben wir dieses Vergehen an der Demokratie vehement verurteilt und über soziale Medien den dilettantischen Versuch, die türkische Regierung abzusetzen, stark kritisiert. Auch wenn der türkische Präsident uns als Hizmet-Bewegung reflexartig des Putsches bezichtigt hat, stand und steht für uns eines fest: Jede demokratisch gewählte Regierung ist besser als eine – von wem auch immer – aufoktroyierte Staatsführung. Anschließend folgte eine durch die Regierung diktierte „Säuberung“ des Staatsapparates: ohne jegliche Verurteilung werden Zehntausende LehrerInnen, Wissen¬schaft¬lerInnen, Beamte sowie RichterInnen entlassen und somit Zehntausende Familien Ihrer Existenzgrundlage beraubt.

II. Aktuelle Lage in Deutschland nach dem 15. Juli

Diese verschleierte Form einer „islamistischen Inquisition“ wird seitdem auch in Deutschland offener propagiert, indem staatliche Telefon-Hotlines für die Denunzierung von Hizmet-Einrichtungen sowie Einzelpersonen aus Hizmet verbreitet werden, in Moscheen und an öffentlichen Orten, aber auch gerade in den sozialen Medien und europäischen Ablegern türkischer Zeitungen (z.B. „Sabah Avrupa“) gegen Hizmet Hetze betrieben wird und Drohungen gegen Einzelpersonen ausgesprochen werden. Leider ist es in der gesamten Bundesrepublik nicht nur bei Drohungen geblieben, sondern auch zu teils massiven Sachbeschädigungen und vereinzelten körperlichen Übergriffen gekommen [2].

Nicht zu vergessen sind an dieser Stelle leider auch unzählige undifferenzierte Formen der Berichterstattung über Hizmet in der deutschen Presse. Der Erfurter Theologe Prof. Dr. Christoph Bultmann widmete den Artikel „War es Gülen? – Journalisten und Erdogans Narrativ“ diesem Thema und verweist Journalisten im Grunde auf Essentials ihres Handwerks, nämlich auf gründliche Recherche:

„[…] Die Regierung zerstörte also gezielt die wirtschaftliche und gesellschaftliche Existenz von zehntausenden Familien. Darf man unter diesen Bedingungen erwarten, dass im Journalismus etwas genauer hingeschaut wird, was eigentlich die Lehre des Islam ist, die Fethullah Gülen seit dem Beginn seiner Predigttätigkeit in Izmir 1966 entwickelt hat? Wie viele Journalisten haben seit dem 16. Juli wie viele Seiten der Schriften Gülens gelesen, bevor sie sich, wie Özlem Topçu in der ZEIT vom 28. Juli, über den „verklärenden Blick der Europäer auf die Gülen-Bewegung“ beklagen? Wie viele haben sich etwa mit der Studie von M. Hakan Yavuz, Toward an Islamic enlightenment. The Gülen movement (Oxford und New York, 2013) befasst, bevor sie, wie Amalia van Gent in der Neuen Zürcher Zeitung vom 20. August, ihren Lesern erklären, „der Ruf des in der ostanatolischen Stadt Erzurum geborenen Predigers wäre vermutlich nie über den engen Raum seiner Heimatstadt hinausgelangt, hätte es 1980 nicht den dritten Militärputsch gegeben“? Izmir liegt nicht gerade in Ostanatolien. Warum datiert der einzige Treffer für die Suchwörter „Gülen“ und „Abant“ im Archiv der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 9. Oktober 2008 und im Archiv der Süddeutschen Zeitung vom 23. Mai 2009, obwohl die „Abant Platform“ der Gülen-Bewegung seit 1998 ein wichtiges Diskussionsforum in der Türkei war? Darf man erwarten, dass Journalisten die Darstellung der Gülen-Bewegung als „Geheimbund“ (Mafia, Scientology, Opus Dei wären hier in Pressearchiven zu googeln) überprüfen, bevor sie sie weiterverbreiten? Warum sprechen Journalisten von der „dunklen Seite“ der Gülen-Bewegung, ohne ihrem Publikum mitzuteilen, was denn ihre „helle Seite“ sei? Warum wird nicht recherchiert, was wir über die „Unterwanderung“ des Staates durch die Gülen-Bewegung wissen? Welche staatsgefährdenden „Parallelstrukturen“ gibt es? Wer macht seit dem 15. Juli das türkische Militär als eine Festung der „Gülenisten“ aus, wer stellt die „Gülenisten“ als Verschwörergruppe von Offizieren in hermetisch dichter Abgrenzung von „Kemalisten“ dar, und wer sieht diese „Gülenisten“ in einer „Allianz“ mit den „Kemalisten“ einen Putsch planen? […]“ [3]

In den meisten Fällen werden laut Bultmann, der Mitherausgeber des Bandes „Die Gülen-Bewegung zwischen Predigt und Praxis“ (Münster 2011) ist, Beiträge und dutzende Male wiederholte Floskeln wie Vorwürfe nach „mangelnder Transparenz“ oder „schleichende Islamisierung“ in vielen Medien repliziert, ohne dass offen mit Mitgliedern der Bewegung gesprochen wird. Dabei haben hiesige Hizmet-Sympathisanten auf lokaler Ebene zahlreiche Beiträge für ihre jeweilige Umgebung geleistet. Obwohl seit Jahren eine – wenn auch noch unzureichende – mediale Öffnung seitens vieler Hizmet-Einrichtungen in Deutschland be-trieben wird, scheinen einige Vorwürfe ihren dauerhaften Weg in den iterativen Prozess eines unzureichend recherchierenden Journalismus gefunden zu haben. Auch diese Form der Rufschädigung unterstützt das aktuelle Unbehagen vieler Hizmet-Freunde und widerspricht dem deutschen Presse-Kodex. Denn die Türkei ist für viele von uns als Teil der Bewegung hierzulande die Heimat ihrer Eltern, Deutschland hingegen ist unsere Heimat, unsere täglich geliebte Realität.

III. Was macht Hizmet in Deutschland, in Bayern, in München?

Das starke mediale Interesse an Hizmet hierzulande hat jedoch nicht nur negative Aus¬wir-kungen, sondern bietet Menschen, die sich in der Bewegung engagieren, die Möglichkeit ihre Gefühle kundzugeben und eine breite Masse über Hizmet zu informieren. Auf Empfehlung unseres Beirats möchten wir Ihnen einige Projekte und Aktivitäten von Hizmet vorstellen, um ein konkreteres Bild dieser ansonsten so abstrakt als „Dienst“ (so die wörtliche Übersetzung von „Hizmet“) bezeichneten Bewegung zu liefern:

a. Jugendarbeit und sogenannte „Lichthäuser“

Das vielleicht größte Engagement der Bewegung richtet sich an unsere Zukunft – unsere Jugend. In den Medien spiegelt sich diese Arbeit mehrheitlich nur in der Form von Studenten¬wohngemeinschaften wider. Dabei wird gerne der Mystifizierung wegen das Wort „Lichthaus“ verwendet. Von den Bewohnern selbst oder den Hizmet-Engagierten generell wird diese Bezeichnung aber nicht verwendet; sie sprechen gerne von „Ev“ (türk. „Haus“). Studierende, die sich in einer solchen WG wiederfinden, lernen gemeinsam, teilen sich den Haushalt auf und gehen miteinander auf Reisen. Sie haben meist eine Werte-orientierte Motivation, weshalb sie untereinander religiöse Gespräche führen und gemeinsam zu Gott beten. Sie vermeiden Alkohol und wohnen in ihrem Haushalt nach Geschlechtern getrennt.

Doch dies ist nicht die einzige Form der Jugendarbeit, die die Bewegung zu bieten hat. Es gibt darüberhinaus auch Eltern, die ihre Kinder gerne StudentInnen aus solchen WGs anvertrauen. Freiwillig tätige StudentInnen unterstützen die Kinder dann beim Lernen, planen gemeinsame Sport- und Freizeitaktivitäten und führen auch gemeinsame Gespräche praktisch-philo¬sophi¬scher Natur. Anders als bei den studentischen Gesprächskreisen sollen diese Arten von Gesprächen Jugendlichen Helfen, ihre eigene Zukunft zu planen und gerade Kindern aus bildungsfernen Familien zu einer stabilen Basis in unserer Gesellschaft verhelfen. Ja, es wird gerade in diesen Runden dazu motiviert, einmal Richter, Lehrer, Arzt oder dergleichen zu werden. Entgegen der gängigen Meinung, Hizmet vertrete ein elitäres Selbstverständnis, wird den Jugendlichen in erster Linie nahegelegt, eine Berufung zu wählen, die ihnen persönlich Freude bereitet und zur Selbsterfüllung beiträgt, ohne dabei den gesellschaftlichen Nutzen außer Acht zu lassen. Diese Art der Jugendarbeit dürfte sich nur marginal von anderen Jugend¬verbänden unterscheiden und bedingt gegenseitigen Respekt und gegenseitiges Vertrauen unter den Jugendlichen und ihren Betreuern. Sie kann als eine Ergänzung zur Arbeit von sonstigen Jugendzentren und Jugendvereinen verstanden werden.

Vielerorts bemühen sich Freiwillige in Hizmet ihre Jugendarbeit offiziell anerkennen zu lassen und Teil von Kreisjugendringen zu werden. Die IDIZEM-Jugend ist ein gutes Beispiel hierfür. Dennoch ist die Qualität der Jugendarbeit lokal unterschiedlich. Das Engage¬ment der einzelnen, ihr pädagogisches Fachwissen und ihre Einfühlsamkeit entscheiden oft über den Erfolg ihrer Arbeit. Daher kann diese Arbeit auch je nach Ort laienhaft verlaufen und teilweise stark verbesserungswürdig sein. In diesem Sinne kann Hizmet seine Erfahrung sicherlich noch weiter ausbauen und sich den jeweiligen Gegebenheiten besser anpassen [4].

b. Bildungsaktivitäten

Mittlerweile ist in der gesamten Bundesrepublik bekannt, dass die Hizmet-Bewegung allein hierzulande Dutzende Schulen, Hunderte Nachhilfeeinrichtungen, Kindergärten, Jugend- und Kulturzentren führt. Einige dieser Schulen weckten mediales Interesse, weil sie angeblich die Zugehörigkeit zur Hizmet-Bewegung bestritten. Wir als IDIZEM sehen diese Distanzierung, sofern sie in einzelnen Fällen wirklich stattgefunden hat, als falsch an. Auch als Teil der Hizmet-Bewegung gilt an diesen Schulen, Nachhilfeinstituten und Kindergärten der jeweilige Lehrplan und die Richtlinien des Bundeslandes, und es findet keinerlei Religionsunter¬richt, geschweige denn erzwungene religiöse Unterweisung, statt. Aus den Schulen der Hizmet-Bewegung sollen wie bei allen anderen Schulen auch aufrichtige, offene und demokratische SchülerInnen entlassen werden. Die Schulen leisten damit einen großen Beitrag für unsere Gesellschaft. Sie dürfen nicht unter verdeckter Hand in Erscheinung treten. Der Eindruck von Intransparenz entsteht gerade hier, wenn SchulleiterInnen einen Zusammenhang zwischen Hizmet und der jeweiligen Schule nicht klar genug darlegen. Hier ist aber zu beachten, dass das Verhalten in einzelnen Fällen oft allein darauf zurückzuführen ist, dass die jeweiligen Verantwortlichen Angst vor Denunzierung und medialer Zurschaustellung hatten, so wie man es als Hizmet etwa zu Zeiten von repressiven Regierungen in der Türkei gewohnt war. Oft werden auch Hizmet-Vereine undifferenziert als „türkische Vereine“ abgestempelt, obwohl sie ihr Engagement längst auf die Realitäten der hiesigen Gesellschaft zugeschnitten haben.

c. Dialogbestrebungen

Am Dialog der Religionen und Kulturen beteiligten sich Hizmet-Freiwillige sehr früh in den 70ern und 80ern zunächst in der Türkei zwischen politisch-religiös heterogenen Gruppen und ab den 90ern auf internationaler Ebene. Während Fethullah Gülen in den Anfängen explizit Gespräche mit Andersdenkenden auf Veranstaltungen in Kinosälen, Casinos und vergleichbaren, unter damaligen türkischen Muslimen tabuisierten Orten suchte, galt sein Treffen mit dem Papst Johannes Paul II. im Nachhinein als damaliger Höhepunkt – ein Höhepunkt, den manche zeitgenössische muslimische Gruppierungen als Tiefpunkt, als Beleg für „Ketzerei“ und Zusammenarbeit mit dem „bösen Westen“ hingestellt haben. Seit jeher hat sich Hizmet jedoch den Dialog auf die Fahne geschrieben und das nicht nur in einer Zeit, in der interreligiöser Dialog zum Mainstream geworden ist, sondern auch in schwierigen Zeiten, in denen andere Gemeinden auch in Deutschland bewusst Bücher mit Titeln wie „die Lüge vom Dialog der Kulturen“ auf ihren Veranstaltungen verkauften und CDs voller unseriöser Verschwörungstheorien über Hizmet und Fethullah Gülen mit Inhalten über eine vermeintliche Zusammenarbeit von Gülen mit sog. „Zionisten“, der CIA und ominösen Geheimbünden sowie montierte Bilder von Gülen beim Küssen der Hand des damaligen Papstes verbreiteten. Inzwischen haben alle diese muslimischen Gemeinden einen „Dialogbeauftragten“.

Wir bei IDIZEM gründeten den ersten Dialogverein der Hizmet-Bewegung in Deutschland, weil wir als „Neubürger“ festgestellt haben, dass eine enorme Wissenslücke über den „Anderen“ existiert. Das Wissen der breiten Mehrheit geht leider oft nicht über die in den Medien sehr oberflächliche und oft verzerrte Darstellung hinaus. Getreu dem Gedanken, sich anstatt über die Dunkelheit zu beschweren, eine Kerze anzuzünden, um Licht in die Dunkelheit zu bringen, beschlossen wir im Frühjahr 2001 IDIZEM e.V. zu gründen, um im Dialog neue Akzente zu setzen. Viele von Ihnen mögen vielleicht die Nymphenburger Gespräche kennen, deren Initiator sowie Mitorganisator IDIZEM ist. Andere haben vielleicht eines unserer Dialog-Dinner mit Verleihung des IDIZEM-Dialogpreises miterlebt. Aber auch viele weitere kleinere wie größere Veranstaltung rund um Themen des interreligiösen Dialogs wurden in der Vergangen¬heit von uns ausgerichtet.

IDIZEM ist Teil des Bundes deutscher Dialoginstitutionen, des BDDI. Dieser versteht sich als Dachverband von 15 bundesweit agierenden Dialoginstitutionen, die Teil von Hizmet sind. Mit der Gründung des BDDI im Jahr 2013 wurde ein wichtiger Schritt in Richtung bundesweiter Zusammenarbeit dieser Institutionen gemacht. Ein Mangel an institutioneller Vernetzung wurde seit jeher der Bewegung vorgehalten, traf noch nie zu, wenn man sich andere Dachver¬bände und große Vereinigungen anschaut, und wird nun peu à peu weiter umgesetzt. Der BDDI verleiht aktuell jährlich den Deutschen Dialogpreis und befindet sich in einem regen Aufbau und einer Rollenfindung, die hoffentlich in der Zukunft die Dialogland-schaft Deutschlands positiv beeinflussen wird.

Einen weiteren Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit bildet die Stiftung Dialog und Bildung, die als Ansprechpartner der Hizmet-Bewegung für Interessierte, Politik und Medien fungiert. Sie ist aber auch dazu da, neue Ideen und Projekte im Bereich Bildung und Dialog einzubringen und Engagierte der Hizmet-Bewegung fortzubilden. Nicht zuletzt hat die Stiftung auch einen wissenschaftlichen Anspruch und versucht die Forschung über Hizmet voranzutreiben.

d. Das House of One in Berlin

Dass Juden, Christen und Muslime unter einem Dach ihren Gott anbeten, klingt nach Utopie. Die Begründer des House of One in Berlin leben jedoch genau nach diesem Ideal. Die Errichtung des House of One wurde von der Basis her angestoßen. Die evangelische Kirchengemeinde St. Petri-St. Marien, von der die Initiative ausging, die Jüdische Gemeinde zu Berlin, im Verbund mit dem Rabbinerseminar Abraham-Geiger-Kolleg, und die Hizmet-Dialoginitiative Forum Dialog (FID e.V.) haben sich gemeinsam auf diesen Weg gemacht. Dieses Projekt ist beispielhaft für die Verwirklichung der Ideale der Hizmet-Bewegung, weshalb das FID Berlin nicht zögerte, der Einladung der evangelischen Kirchengemeinde zu folgen. Doch Hizmet war hier nicht der erste Ansprechpartner. Zuvor waren laut der Kirchengemeinde St.Petri-St.Marien mehrere muslimische Dachverbände und Moscheegemeinden ohne Erfolg für das Projekt angesprochen worden.

Während in Deutschland dieses Projekt Gläubige der abrahamitischen Religionen näher zusammenführen soll, bemühen sich beispielsweise Freiwillige der Hizmet-Bewegung in der Türkei gemeinsam mit alevitischen Gemeinschaften, Cemevi (alevitische Gotteshäuser) unter demselben Dach mit Moscheen zu errichten.

e. Humanitäre Hilfe – Time to help e.V.

Eine weitere Form des abstrakten „Dienstes an der Gesellschaft“ leisten Hizmet-Freiwillige über humanitäre Hilfe. In diesem Sinne wurde der Verein Time to help e.V. gegründet, das europäische Pendant zum türkischen Hizmet-Verein „Kimse Yok Mu“. Der Verein leistet in vielen Ländern der Welt Sach- und medizinische Hilfe. Viele Freiwillige unterstützen den Verein nicht nur finanziell, sondern ähnlich wie beim Deutschen Roten Kreuz über persönliche Hilfe für eine begrenzte Zeit in den jeweiligen Regionen der Bedürftigen.

f. Frauen in Hizmet

Oft wird Hizmet ein rückständiges Frauenbild bescheinigt. Als Indiz wird häufig eine geringe Teilnahme von Frauen an Hizmet-Veranstaltungen ausgegeben. Wir als IDIZEM können nur zustimmen, dass im bundesweiten Durchschnitt eine stärkere Partizipation von Frauen in der Öffentlichkeit erforderlich ist. In dieser Hinsicht muss sich Hizmet weiter entwickeln. Dieser Rückstand liegt jedoch mitnichten an einem veralteten Frauenbild der Bewegung, sondern ist vielmehr auf soziokulturelle Phänomene zurückzuführen. Auch eine bisher noch mangelnde Förderung kann mit ein Grund gewesen sein. Nichtsdestotrotz wird eine stärkere Teilhabe von Frauen in Hizmet, aber auch in anderen Bereichen der deutschen Öffentlichkeit vor allem aus einer Eigendynamik der Frauen heraus zu erreichen sein. In diesem Sinne sind beispielsweise die Vizevorsitzende von IDIZEM, die Jugendleitung sowie viele weitere Positionen im Verein durch aktive (!) Frauen besetzt. Dass dies nicht in jedem Hizmet-Verein, aber auch bei Weitem nicht in der gesamtdeutschen Gesellschaft so der Fall ist, wird sich hoffentlich im Laufe der Zeit verändern. Wir als Hizmet setzen uns für eine Beschleunigung dieses Vorgangs ein.

g. Finanzierung

Hizmet stützt sich stets auf lokale HelferInnen, die ihre finanzielle, ideelle sowie praktische Hilfe in die Gesellschaft tragen. So ist es auch in Deutschland, d.h. es gibt keine ausländische Unter¬stützung hiesiger Projekte. Ausgeschlossen ist natürlich humanitäre Hilfe und Aufbauarbeit in Entwicklungsländern. Um es am Beispiel von IDIZEM darzulegen: etwa 150 Vereinsmitglieder und Unterstützer spenden monatlich einen freiwillig gewählten Betrag. Hier tragen die aktiven ca. 20 Mitglieder und Vorstände den größten Beitrag. Der größte Bedarf von IDIZEM wird somit über eigene Vereinsmitglieder gedeckt. Darüber hinaus gibt es hin und wieder staatliche Fördergelder für Projekte, die wir erfolgreich beantragt haben, Preisgelder, sowie Einzelspenden. Unsere gesamten finanziellen Aktivitäten stehen genauso wie bei anderen gemeinnützigen Vereinen unter der Aufsicht des Finanzamtes. Darüber hinaus gewähren wir unserem Beirat einen Einblick in all unsere Finanzen und führen in regulären jährlichen Vereinssitzungen eine Überprüfung unserer Vereinskasse durch.

Auf vielen Veranstaltungen von IDIZEM wird auch ein reichhaltiges Buffet angeboten, das gelegentlich bei einigen Gästen für Fragen hinsichtlich der Finanzierung sorgt. Da unser Verein von reinem Ehrenamt lebt, werden selbstverständlich auch in den allermeisten Fällen Speisen, Dekoration und anderweitig Organisatorisches für Veranstaltungen von ehrenamtlichen Helfern getragen.

Die Finanzierung von Schulen, Bildungsinstituten, Kindergärten und anderen Institutionen verläuft nach ähnlichem Muster, mit dem Unterschied, dass sich einige Projekte durch eigene Einnahmen finanziell autonom entfalten können.

IV. Die Zukunft von Hizmet in Deutschland

Als Teil der Hizmet-Bewegung wird sich IDIZEM auch in Zukunft für den interreligiösen sowie interkulturellen Austausch in Bayern einsetzen. Auch andere Hizmet-Einrichtungen in Bayern und der gesamten Bundesrepublik werden sich nicht von Drohungen einschüchtern lassen.

Die aktuellen Ereignisse haben sich auf unsere Dialogarbeit weniger negativ ausgewirkt, sondern haben im Gegenteil durch das mediale Interesse auch zu positiver Resonanz geführt. Werte, die Hizmet vertritt, werden in Teilen unserer Bevölkerung als Gegengewicht zur politisch-islamistischen Ideologie aufgegriffen, sodass auch beispielsweise homosexuelle Bürger zu uns Kontakt aufnehmen, in der Hoffnung einen offenen, menschlichen Islam anzutreffen. So wird Hizmet als Gemeinschaft weiterhin ein Plädoyer für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie Objektivität und Wahrung der Menschenrechte selbst in Ange-legen¬heiten der Staatsräson setzen. Wie auch der bayerische Verfassungsschutz bestätigt, ist Hizmet keine Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung – im Gegenteil, die Bewegung vertritt ihre Werte und leistet Aufklärungsarbeit, wo es nötig ist, um ihren Beitrag zu einer offeneren Gesellschaft zu leisten. In einem freien Land, in dem christliche Orden, jüdische Verbände und areligiöse Vereinigungen Teil der Gesellschaft sein dürfen und sollen, ihre Partizipation als Selbstverständlichkeit wahrgenommen wird, ihre Einflussnahme in ethischen, moralischen, politischen sowie gesellschaftlich-sozialen Aspekten respektiert wird, ohne dass sie als sektenhaft, geheimbündlerisch oder unterwandernd dargestellt werden, bedient sich auch << der deutsche Hizmet >> diesen selben Anspruchs [5].

In diesem Sinne möchten wir Sie bei Fragen und Interesse gerne zu einer Kontaktaufnahme einladen. Bei dieser Gelegenheit würden wir Ihnen auch gerne nach dem Muster eines „Tages der offenen Tür“ Führungen durch für Sie interessante Hizmet-Einrichtungen anbieten. Auf Wunsch kann auch versucht werden, eine der Studenten-WGs Besuchern öffentlich zugänglich zu machen.

IDIZEM e.V., Oktober 2016

V. Linksammlung

[1] Link zum SZ-Artikel von Deniz-Aykanat und Bernd Kastner:

http://www.sueddeutsche.de/…/deutsch-tuerken-der-perfekte-s…

[2] Link zum dtj-Beitrag:

http://dtj-online.de/tuerkische-pogromstimmung-auch-in-deut…

[3] Link zum Artikel von Prof. Dr. Christoph Bultmann:

http://de.ejo-online.eu/…/war-es-guelen-journalisten-und-er…

[4] Link zum Beitrag von Kristina Dohrn:

www1.wdr.de/…/sendu…/neugier-genuegt/kristina-dohrn-100.html

[5] Link zum Beitrag von Pater Klaus Mertes:

http://www.deutschlandradiokultur.de/guelen-bewegung-schule…

[6] Empfehlung zur Lektüre über aktuelle Ansichten Fethullah Gülens:

https://www.herder.de/…/schluesseltexte-gebund…/c-25/p-2508/